Mader : Fakten - Fälle - Fotos®
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6.12 Pneumonische Bilder

Zusatzinfo

Bild einer Pneumonie oder exakte Diagnose?

Eine Lungenentzündung kann klinisch diagnostiziert werden, wenn die Trias Husten, Fieber und Dyspnoe vorliegt, Andererseits werden Röntgenaufnahmen durchgeführt, um eine Pneumonie "zu sichern". Folge dieser Diagnosestellung ist oftmals dann die Initiierung einer antibiotischen Therapie. Eine holländische Studiengruppe stellte sich die Frage, wie "sicher" die Diagnose "Pneumonie" mit akutem Husten klinisch im Vergleich zur Röntgenaufnahme des Thorax ist. Die Studie wurde multizentrisch in 12 europäischen Ländern (insgesamt 294 Studienzentren) bei 2810 Patienten mit Husten durchgeführt. Bei den Probanden handelte es sich um Erwachsene. Unabhängig von der Diagnose des Erstuntersuchers wurde bei allen Probanden eine Röntgenaufnahme des Thorax angefertigt. Kliniker und Radiologen diagnostizierten in 95 % der Fälle eine Pneumonie. Auffällig war allerdings, dass die Mehrzahl der Pneumonien ohne Bildgebung übersehen wurde. 140 Probanden (5 %) wurden radiologisch der Diagnose "Pneumonie" zugeführt. 41 (29 %) hiervon wurden klinisch erkannt. Mit nur 29 % wies die klinische Diagnose daher eine schlechte Sensitivität auf. Lediglich bei 1 % der Probanden wurde fehlerhaft nach den Studienkriterien eine Pneumonie diagnostiziert. Die Autoren schließen aus ihrer Untersuchung, dass die rein klinische Diagnose "Pneumonie" unzureichend ist. Auch das Verordnen von Antibiotika (insbesondere Breitspektrum-Antibiotika) aufgrund der klinischen Diagnose allein wird kritisch gesehen.


Kommentar: Auch wenn diese Studie bei Erwachsenen durchgeführt wurde und nicht ohne weiteres auf Säuglinge, Kinder und Jugendliche übertragen werden kann, so spiegelt sie doch das Dilemma der klinischen Diagnose "Pneumonie" wider. Die Sensitivität ist gering, viele Pneumonien werden übersehen. Andererseits kommen vor allem in Kindesalter Viruspneumonien vor, deren Behandlung symptomatisch erfolgt und nicht antiinfektiv. Kritisch anzumerken ist, dass auch die Röntgenaufnahme des Thorax keineswegs als "Pneumonie-Goldstandard" angesehen werden kann. Auch die radiologische Diagnostik eignet sich letztendlich nicht für eine eindeutige Diagnosestellung. Die korrekte Diagnose wird nur klinisch und ggf. radiologisch unter Kenntnis der zirkulierenden Erreger und zusätzlicher Parameter (Entzündungszeichen) sicherzustellen sein.
Univ.-Prof. Dr. med. M. Knuf. KiPr (2013) 84:208


Merke
Die klinische Diagnose "Pneumonie" ist unzureichend. Eine Röntgenaufnahme des Thorax kann keineswegs als "Pneumonie-Goldstandard" angesehen werden. Der Allgemeinarzt tut daher gut daran, bei einer vermuteten Pneumonie vom "Bild einer Pneumonie" zu sprechen. Dies ist seriös, da diese Formulierung die diagnostische Unsicherheit bei einem möglicherweise bestehenden AGV ausdrückt.


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